Wandel und Kommunikation – „Schwarmintelligenz“ oder Persönlichkeit

Die menschliche Zivilisation hat sich immer durch Innovation und Fortschritt ausgezeichnet.
Fortschritt aber hieß nicht, dass Errungenschaften generell zum Wohl der Menschen verwendet wurden. Das aber ist mit fortschreitender Technik eine Überlebensnotwendigkeit und sollte selbstverständlich sein. Bezogen auf den Fortschritt spielen mitunter zwei gegensätzliche, aber miteinander verflochtene Kräfte eine entscheidende Rolle: die so genannte Schwarmintelligenz und einzigartige Persönlichkeiten.
Als Entdecker der so genannten Schwarmintelligenz gilt seit den neunziger Jahren der italienische Ingenieur Marco Dorigo. Er beschrieb mitunter, dass Ameisen ihre Straßen zum Futterplatz ganz gezielt optimieren. Die Ameisen nutzten anfänglich verschiedene Wege zum Futterplatz und stießen Duftstoffe ab. Da die Ameisen mit dem kürzesten Weg deutlich häufiger ihre Strecke passierten und so mehr Pheromone absonderten, wählten bald alle Ameisen diese gekennzeichnete Strecke. Aus derartigen Naturbeobachtungen wurde geschlossen, dass aus Schwarmverhalten technologisch einzigartige und objektiv beste Lösungen entstehen können. (Vgl. Kurt W. Zimmermann)
Das Objektive wurde als alleiniges Entscheidungsprinzip gewürdigt. Wir wissen aber auch, dass aus Schwarmverhalten heraus, bezogen auf die menschliche Spezies, zum Beispiel verheerende Kriege entstehen können. Es geht also im Leben, im Prozess des Wandels und des Fortschritts nicht nur um eine geniale objektive Entdeckung und auch nicht immer nur um den leichtesten Weg.
Wie können wir neue Entdeckungen der Menschheit so einsetzen, dass sie uns im positiven ethischen Sinne wachsen lassen?

Als Psychologin empfinde ich persönlich den Begriff: Schwarmintelligenz als ein gefährliches Unwort. Wir leben in einer Diktatur des Geldes. Geld bringt Handlungsmacht, wobei es durchaus Menschen gibt, die in ihrem Machtrausch über andere Individuen sehr gering denken, als wären die Menschen eben nur Schwärme oder Horden von Untergebenen. Die Folgen sind mitunter Unterdrückung und Vernichtung, völlige Empathielosigkeit.
„Der Grund warum sich die Welt im Chaos befindet, ist weil Dinge geliebt werden und Menschen benutzt werden.“ Dalai Lama
Da ich persönlich Hochachtung vor jedem fühlenden Wesen habe, möchte ich also im Folgenden statt des Ausdrucks „Schwarmintelligenz“ das Wort „kollektive Intelligenz“ verwenden.
In meinem Vortrag als Rednerin und Psychologin: „Ausbruch aus der Psychofalle“ geht es in einem spannenden Exkurs darum, zu erkennen, wie wir von einem Schachteldenken, von einem herzlosen Lebens- und Entwicklungsstil, zu einem Wandel kommen, der uns anders mit dem Thema einer positiven Entwicklung umgehen lässt.
Was bereichert uns persönlich und gesellschaftlich wirklich?
Wie können wir also als Menschen den Fortschritt so vorantreiben, so dass unsere intelligenten Erfindungen und unsere kulturellen Errungenschaften uns wirklich Glück und ein gutes Miteinander bringen?

Die Kraft der Kollektivität

Kollektive Intelligenz bezieht sich per Definition auf die Fähigkeit einer Gruppe, gemeinsam Lösungen zu finden oder Probleme zu lösen, die über die Fähigkeiten eines Einzelnen hinausgehen. Ganz selbstverständlich gibt es intelligente Lösungen für Probleme, die in einem Miteinander von Gruppen entstanden sind.

Einzigartige Persönlichkeit: Der Antrieb des Individualismus

Gegenüber der kollektiven Intelligenz steht die einzigartige Persönlichkeit, die über besondere individuelle Fähigkeiten, Visionen und Talente verfügt. Diese Einzigartigkeit treibt Innovationen voran und ermöglicht Durchbrüche, die durch kollektive Anstrengungen allein nicht möglich wären.
Wir brauchen also durchaus Rollenbrecher.
Hier allerdings steht auch wieder die Frage der ethischen Entwicklung als extrem wichtige Komponente im Raum. Wir dürfen nicht vergessen, auch die Erfindung der Atombombe hatte grauenvolle Folgen.

Die Synergie von kollektiver Intelligenz und persönlichem Vermögen auf der Basis von ethischen Werten

Es ist also ganz klar, dass kollektive Intelligenz und einzigartige Persönlichkeit sich gegenseitig nicht ausschließen. Tatsächlich und bestenfalls können und sollten sie synergetisch wirken und sich gegenseitig verstärken, um den Fortschritt besonnen voranzutreiben. Wandel und Entwicklung unter Beachtung ethischer Werte, also den Sinn und die Anwendung von Neuem genau zu überdenken. Das ist eine Bewusstseinsfrage dieser Zeit. Materie bestimmt das Sein, aber wir brauchen eine hohe ethische Bewusstheit, um mit dem Materiellen so umzugehen, dass es lebensfreundlich eingesetzt wird. Friedenspolitik muss sich auf alle Bereiche der Entwicklung beziehen, dem Wandel zum Wohl der Menschheit. Die Gier verlangt reinen Gewinn, doch verantwortungsbewusste Intelligenz verlangt ein Zusammenspiel von Ethik und Entwicklung. Denn ansonsten würde es als hervorragend gelten, besonders wirkungsvolle Massenvernichtungswaffen zu entwickeln und es könnten paradoxe Phänomene entstehen, wie zum Beispiel den Arbeitsstellenabbau in der Rüstungsindustrie in Friedenszeiten zu bedauern. An diesen absurden Beispielen sieht man, dass kollektive Intelligenz auch inhaltlich mehr bieten sollte, mehr bieten muss, als eine „Schwarmintelligenz“.
Ethische Bewusstheit ist der Schlüssel einer friedlichen Entwicklung.

In der Debatte über den Fortschritt der Menschheit stehen die so genannte „Schwarmintelligenz“ und einzigartige Persönlichkeit oft im Mittelpunkt. Doch letztendlich reicht das nicht aus. Wir brauchen wertebasierte Entwicklung. Kollektive „bewusste“ Intelligenz und Einzelpersonen, die durch ihr Genie und ihre positive Haltung eine fortschrittliche Entwicklung mit befördern. Indem wir unsere menschlichen Stärken erkennen und nutzen, können wir eine Zukunft gestalten, die sowohl von kollektiver Intelligenz als auch von individueller Kreativität geprägt ist und die hilft Leben zu bewahren, zu entwickeln und zu schützen. Wir sollten mitunter auch die Auszeichnungen für neue Errungenschaften anders verteilen, was wertvoll ist.

Dipl.-Psych. Delia Müller
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